Wem gehört das Trinkgeld? Dem Arbeitnehmer, dem es zugewendet wird, so das LAG Main | Rechtsanwalt König in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht Rechtsanwalt in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht

13th Jun 2013

Wem gehört das Trinkgeld? Mit dieser Frage hatte sich das LAG Mainz als zweitinstanzliches Gericht in einem Kündigungsschutzverfahren zu beschäftigen. Denn gehört das Trinkgeld dem jeweiligen Arbeitnehmer, der es bekommt? Oder wird es unter allen aufgeteilt? Kann der Arbeitgeber bestimmen, was damit geschieht?

LAG Mainz Urteil vom 09.12.2010 – 10 Sa 483/10

Der Kläger war Kellner in einem Restaurant und durfte neben seinem Bruttogehalt von 1.750,00 EUR auch das Trinkgeld kassieren, was laut dem später beklagten Arbeitgeber unter 500,00 EUR pro Monat lag. Später wurde er angewiesen, dass ab sofort die Geschäftsleitung das Trinkgeld kassiert, dieses kommt dann in einen Geldbeutel und wird gleichmäßig unter dem Personal aufgeteilt. Der Kläger war damit natürlich nicht einverstanden und nahm das Trinkgeld weiterhin an sich. Der Beklagte erteilte ihm deswegen mehrere schriftliche Abmahnungen. Als diese keine Wirkung zeigten, wurde das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt.

In der ersten Instanz hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wurde, der beklagte Arbeitgeber wurde verurteilt, die erteilten Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Auch stellte das Arbeitsgericht fest, dass der Kläger als Arbeitnehmer weiterhin berechtigt ist, das Trinkgeld zu kassieren, das ihm die zuvor von ihm bedienten Gäste gaben.

Der Beklagte griff das Urteil mit einer Berufung an. Das Arbeitsgericht habe die Reichweite seines Direktionsrechts (Anm.: Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ergibt sich aus § 106 GewO, womit dieser Paragraph zu einer zentralen Vorschrift im Arbeitsrecht wird.). Unter anderem sollte mit der gleichmäßigen Aufteilung der Wettlauf unter den Kellnern vermieden werden, auch habe der klagende Kellner das Trinkgeld nur widerwillig mit der Küche geteilt.

Die Berufung wurde abgewiesen.

Das Weisungsrecht aus § 106 GewO dient der Konkretisierung der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag. Der § 107 Abs. 3 GewO enthält eine Legaldefinition, was Trinkgeld ist: ein Geldbetrag, den ein Dritter ohne rechtliche Verpflichtung dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. Nach EStG sind Trinkgelder in unbegrenzter Höhe steuerfrei, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Erhält der Arbeitnehmer vom Gast neben dem Rechnungsbetrag freiwillig ein Trinkgeld, so steht ihm dieses unmittelbar zu. Das Weisungsrecht des Arbeitnehmers erlaubt dem Beklagten also nicht, einseitig zu bestimmen, dass das Trinkgeld von der Geschäftsleitung zu kassieren und anschließend unter dem Personal verteilen ist.

"Trinkgelder gehören arbeitsrechtlich nicht zum Arbeitsentgelt, weil sie als persönliche Zuwendung aus einer bestimmten Motivationslage freiwillig von Dritten erbracht werden. Sie gehören nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts daher für Zeiten des Urlaubs, der Arbeitsunfähigkeit und der Betriebsratstätigkeit nicht zum vom Arbeitgeber fortzuzahlenden Arbeitsentgelt (BAG Urteil vom 28.06.1995 – 7 AZR 1001/94NZA 1996, 252). In Übereinstimmung damit versteht auch der Bundesfinanzhof unter Trinkgeld eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in Form eines kleineren Geldgeschenks. Dem Begriff des Trinkgeldes ist als Zeichen der besonderen Honorierung einer Dienstleistung über das vereinbarte Entgelt hinaus ein Mindestmaß an persönlicher Beziehung zwischen Trinkgeldgeber und Trinkgeldnehmer grundsätzlich immanent. Charakteristisch dafür ist, dass in einem nicht unbedingt rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen. Das Trinkgeld und die damit "belohnte" Dienstleistung kommen dem Arbeitnehmer und dem Kunden unmittelbar zugute. Der Trinkgeldempfänger steht faktisch in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält entsprechend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden (BFH Urteil vom 18.12.2008 – VI R 49/06DB 2009, 207, m.w.N.)."

Da das Weisungsrecht des Arbeitgebers das Schicksal des Trinkgelds nicht umfasst, konnte der beklagte Arbeitgeber den Kläger auch nicht zwingen, dass dieser das erhaltene Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse einzahlt und dieses mit anderen teil. Auch kann der Beklagte den Kläger nicht dazu zwingen, dass er kein Trinkgeld annimmt.

Das hat zur Folge, dass die erteilten Abmahnungen aus der Personalakte zu entfernen sind, weil keine Pflichtverletzung vorliegt. Und da kein Kündigungsgrund vorliegt, ist auch die ausgesprochene Kündigung (bzw. zwei) unwirksam.

 

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