VGH Baden-Württemberg · Beschluss vom 8. Juli 2008 · Az. 11 S 1041/08
By : Rechtsanwalt Stanley König | Category : Ausländerrecht, Verwaltungsrecht | No Comments
21st Mrz 2013
§ 5 Abs 2 AufenthG 2004, § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 AufenthG 2004, § 6 Abs 4 S 1 AufenthG 2004, §28 Abs 1 S 1 Nr 1 AufenthG 2004, § 28 Abs 1 S 5 AufenthG 2004, § 30 Abs 1 S 1 Nr 2 AufenthG 2004, § 39 Nr 3 AufenthV, Art 18 Abs 1 EG, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, Art 7 Abs 4 Nr 13 EURLAsylUmsG
Ehegattennachzug; Einreise mit Schengen-Visum; Eintreten offensichtlicher Tatsachen nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist
1. Entscheidungserhebliche Tatsachen, die erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) eintreten, darf das Beschwerdegericht jedenfalls berücksichtigen, wenn sie offensichtlich sind; § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO schließt das nicht aus.
2. § 39 Nr. 3 AufenthV befreit nicht nur die für einen Kurzaufenthalt sichtvermerksfreien Drittausländer ("Positivstaater"), sondern daneben alle Inhaber eines Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG von der nationalen Visumpflicht für längerfristige Aufenthalte nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.
3. § 39 Nr. 3 AufenthV in der seit dem 29. August 2007 geltenden Fassung des Art. 7 Abs. 4 Nr. 13 Buchstabe a) des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970, 2051) stellt nur auf das objektive Entstehen der Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise, nicht aber auch darauf ab, dass der Ausländer vor der Einreise keinen längerfristigen Aufenthalt beabsichtigt haben darf. Falsche oder unvollständige Angaben im Visumverfahren können aber zu einem Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG führen und damit über § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG den Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ausschließen.
4. Für die Befreiung von der Visumpflicht nach § 39 Nr. 3 AufenthV kommt es auf die Entstehung der Gesamtheit aller Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise in dem Sinne an, dass der Anspruch nach der Einreise entsteht, nicht jede einzelne Anspruchsvoraussetzung.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 26. März 2008 – 6 K 522/08 – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2008 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,– EUR festgesetzt
Gründe
I.
Die 1987 geborene Antragstellerin ist Staatsangehörige der Russischen Förderation. Sie reiste erstmals am 17.10.2007 in das Bundesgebiet ein. Dabei war sie im Besitz eines Reisepasses der Russischen Föderation mit einem am 05.10.2007 vom deutschen Generalkonsulat in Nowosibirsk ausgestellten Schengen-Visum, gültig vom 15.10.2007 bis zum 13.11.2007 für eine einmalige Einreise und einen Aufenthalt bis zu 30 Tagen mit dem Vermerk "Besuchs-/Geschäftsvisum Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Am 29.10.2007 schloss die Antragstellerin in Ærøskøbing/Dänemark vor dem Bürgermeister der Kommune Ærø die Ehe mit dem in Rastatt wohnhaften deutschen Staatsangehörigen ….. Zwei Tage später sprach sie mit ihrem Ehemann bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin vor. Sie legte ihren Reisepass sowie einen Trauschein über die Eheschließung vor und meldete sich rückwirkend zum 17.10.2007 mit Wohnsitz bei ihrem Ehemann an. Der Sachbearbeiter der Behörde hielt in einem Aktenvermerk fest: Die Antragstellerin verfüge über keine Deutschkenntnisse; er habe sie darüber belehrt, dass sie mangels Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach Ablauf ihres Visums zur Ausreise verpflichtet sei. Mit Telefax vom 14.11.2007 beantragten die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Am 12.02.2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab, setzte der Antragstellerin eine Ausreisefrist bis 06.03.2008 und drohte ihr für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung nach Russland an. Über den dagegen eingelegten Widerspruch der Antragstellerin wurde bislang nicht entschieden.
Am 27.02.2008 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen. Mit Beschluss vom 26.03.2008 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Mit ihrer Beschwerde legt die Antragstellerin dar: Sie habe nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 39 Nr. 3 oder Nr. 5 AufenthV Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Einhaltung der Visumpflicht. Sprachkenntnissen seien nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AufenthG i. V. m. § 44 Abs. 3 Nr. 1 und 2, § 44a Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sowie § 4 Abs. 2 IntV nicht erforderlich, weil sie seit 2004 an einer Hochschule in Krasnojarsk studiere und ihre Ausbildung in Deutschland in gesicherter wirtschaftlicher Situation mit dem Abschlussziel Bürokauffrau fortsetzen werde. Ungeachtet dessen habe sie in einem Jugendintegrationskurs Ende Mai 2008 die Prüfung "Start Deutsch 1 / telc Deutsch A 1" bestanden. Die Voraussetzungen des Anspruchs seien nach der Einreise in den Schengen-Raum entstanden, was nach § 39 Nr. 3 AufenthV genüge. Die Einholung eines Visums sei zudem nach § 39 Nr. 5 AufenthV entbehrlich, weil wegen der Gefahr der Verschlimmerung einer depressiven Erkrankung im Falle der Abschiebung sowie ihrer krankheitsbedingten Angewiesenheit auf Betreuung und Fürsorge ihres Ehemannes ein Abschiebungsverbot und damit ein Duldungsanspruch bestehe. Unabhängig davon habe die Antragsgegnerin ihr Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht ausgeübt. Wegen des Abschiebungsverbots sei ihr zumindest eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und legt ergänzend dar: Der nachträgliche Erwerb von Sprachkenntnissen ändere nichts an der Visumpflicht. Die Auffassung, dass mit "Einreise" in § 39 Nr. 3 AufenthV die Einreise in den Schengen-Raum gemeint sei, sei nach Systematik und Wortlaut der Vorschrift nicht zu rechtfertigen. Ein von Sprachkenntnissen und nationaler Visumpflicht unabhängiges Aufenthaltsrecht sei schließlich auch nicht daraus abzuleiten, dass der deutsche Ehemann zur Eheschließung in Dänemark sein Recht auf Freizügigkeit nach Art.18 Abs. 1 EG wahrgenommen habe.
Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
A.
Die zulässige (§§ 146, 147 VwGO) Beschwerde ist begründet. Der auch hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis statthafte (1.) Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist, soweit die Prüfungsbefugnis des Senats reicht (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), jedenfalls nach derzeitiger Sach- und Rechtslage begründet. Das Aufschubinteresse der Antragstellerin nach § 80 Abs. 1 VwGO hat deutlich größeres Gewicht als das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowie der damit verbundenen Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 12 LVwVG (2.).
1. Gegen die Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Allerdings setzt die Statthaftigkeit eines solchen Eilantrags nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG voraus, dass der ablehnte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine gesetzliche Erlaubnis- oder Duldungsfiktion nach § 81 Abs. 3 AufenthG oder die Fiktion des Fortbestands des bisherigen Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 AufenthG bewirkt hat (Senatsbeschluss vom 20.11.2007 – 11 S 2364/07 – InfAuslR 2008, 81 m. w. N.). Letzteres könnte hier insoweit zweifelhaft sein, als der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin erst am Tag nach Ablauf des Schengen-Visums und damit verspätet einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt hat. Denn da sich die Antragstellerin aufgrund eines Aufenthaltstitels – des Schengen-Visums (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) – rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, konnte ein von ihr gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis allenfalls eine Fortbestandsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG auslösen. Diese Vorschrift sieht jedoch – anders als § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in Fällen rechtmäßigen Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel – nicht vor, dass auch die verspätete Antragstellung eine Duldungsfiktion oder vergleichbare Rechtswirkungen im Sinne eines vorläufigen verfahrenabhängigen Bleiberechts erzeugt. Ob § 81 Abs. 4 AufenthG gleichwohl auch bei verspäteter Antragstellung anwendbar ist, zumindest bei – wie hier – "geringfügiger" Verspätung (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.03.2006 – 18 B 120/06 – InfAuslR 2006, 448), oder ob insoweit eine wertungswidersprüchliche planwidrige Regelungslücke vorliegt, die durch analoge Anwendung von § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG geschlossen werden muss (vgl. Hailbronner, AuslR, § 81 AufenthG – Stand August 2006 – Rn. 27 f. auch m. w. N. zum Streitstand), bedarf im vorliegenden Fall indes keiner Entscheidung. Denn die Antragstellerin dürfte schon vor Ablauf des Schengen-Visums die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beantragt haben. Der Senat geht bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sachlage anhand der Akten und des Vortrags der Beteiligten davon aus, dass die Antragstellerin bereits anlässlich ihrer Vorsprache auf der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin am 31.10.2007 mündlich – zumindest aber konkludent durch Vorlage des Reisepasses und des Trauscheins sowie die gleichzeitige Wohnsitzanmeldung bei ihrem Ehemann – einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem – bei der Vorsprache anwesenden – deutschen Ehemann gestellt hat. Dafür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass der Sachbearbeiter der Antragsgegnerin anlässlich dieser Vorsprache die besondere Erteilungsvoraussetzung ausreichender Sprachkenntnisse (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) und die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Einhaltung der Visumpflicht (§ 5 Abs. 2 AufenthG) geprüft hat (vgl. § 24 Abs. 1 LVwVfG), wozu ohne Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wohl keine Veranlassung bestanden hätte (§ 22 Satz 2 LVwVfG i. V. m. § 81 Abs. 1 AufenthG). Ob seine anschließende mündliche Belehrung über die Pflicht zur Ausreise nach Ablauf des Schengen-Visums als – konkludente – Ablehnung des Antrags zu verstehen war, kann dahinstehen. Denn diese Ablehnung wäre wegen Verstoßes gegen das Schriftformgebot nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nichtig (§ 44 Abs. 1 LVwVfG; vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG § 77 Rn. 36 m. w. N.) und damit unwirksam (§ 43 Abs. 3 LVwVfG), so dass dadurch auch die – bis zum Ablauf des Schengen-Visums aufschiebend bedingte – Fortbestandsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht hätte erlöschen können.
2. Das deutlich größere Gewicht des Aufschubinteresses der Antragstellerin folgt daraus, dass der Ausgang des Widerspruchsverfahrens in Bezug auf die Ablehnung des beantragten Aufenthaltstitels zum Ehegattennachzug – zumindest – offen erscheint und der Antragstellerin sowie ihrem Ehemann bei dieser Ausgangslage die mit einer sofortigen Vollziehung des Erlöschens der Fortbestandsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG und dem Sofortvollzug der Abschiebungsandrohung einhergehenden Nachteile für die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nicht zumutbar sind. Die Antragstellerin dürfte nunmehr alle besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären – ehelichen – Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann nach § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 AufenthG erfüllen und Anhaltspunkte dafür, dass eine allgemeine Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegt, sind jedenfalls derzeit nicht erkennbar (a)). Die weitere allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen nationalen Visum für längerfristige Aufenthalte (§ 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 6 Abs. 4 AufenthG) dürfte nach § 39 Nr. 3 AufenthV unanwendbar sein, jedenfalls aber kann von ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abgesehen werden, was die Behörde bislang noch nicht erwogen hat (b)).
Offen bleiben kann hiernach, ob die Antragstellerin nach der Rückkehr mit ihrem Ehemann aus Dänemark auch als Familienangehörige eines Unionsbürgers, der von seinem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 18 Abs. 1 EG (i. V. m. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG) Gebrauch gemacht hat und in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt, ein – von der Einhaltung einer nationalen Aufenthaltsvisumpflicht unabhängiges (vgl. EuGH, Urt. v. 14.04.2005, Rs. C-157/03 – Kommission/Spanien – Slg. 2005 I-2911 = InfAuslR 2005, 229 Rn. 37 f.; Urt. v. 25.07.2002, Rs. C-459/99 – MRAX – Slg. 2002, I-6591 = InfAuslR 2002, 417 Rn. 56) und auch Sprachkenntnisse nicht voraussetzendes – Aufenthaltsrecht aus Art. 18 Abs. 1 EG ableiten kann, weil ein die Anwendung dieser Bestimmung eröffnender grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt und die Versagung eines Aufenthaltsrechts für sie „abschreckende Wirkung“ in Bezug auf die Wahrnehmung des Freizügigkeitsrechts ihres Ehemannes haben könnte (vgl. EuGH, Urt. v. 11.12.2007, Rs. C-291/05 – Eind – NVwZ 2008, 402 Rn. 37 ff.; Urt. v. 09.01.2007, Rs. C-1/05 – Yungying Jia – NVwZ 2007, 432; Urt. v. 23.09.2003, Rs. C-109/01 – Akrich – Slg. 2003 I-9607 = InfAuslR 2003, 409 Rn. 50 ff.; Urt. v. 07.07.1992, Rs. C-370/90 – Singh – Slg. 1992 I-4265 = NVwZ 1993, 261 Rn. 19 ff.). Unerheblich ist im übrigen entgegen der Beschwerdebegründung, ob der Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden könnte, weil sie das bislang nicht beantragt hat (vgl. § 81 Abs. 1 AufenthG).
a) Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen nach § 27 Abs. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 AufenthG dürften – jetzt – alle erfüllt sein.
Die Antragstellerin ist Ehegattin eines Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet, ohne dass Zweifel am Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet begründet sind, und beide Ehegatten haben das 18. Lebensjahr vollendet. Auch die weitere Voraussetzung, dass die Antragstellerin sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), ist nunmehr offensichtlich erfüllt, so dass dahinstehen kann, ob diese Voraussetzung – wie die Beschwerdebegründung meint – nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, § 44 Abs. 3 Nr. 1 und 2, § 44a Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sowie § 4 Abs. 2 IntV unbeachtlich ist. Denn die Antragstellerin hat nach dem Zeugnis des Internationalen Bundes Jugendmigrationsdienst Karlsruhe vom 28.05.2008 in dem von ihr seit April 2008 besuchten Jugendintegrationskurs am 27.05.2008 die Deutschprüfung "A 1" nach den vom Goetheinstitut und der telc gGmbH entwickelten Prüfungsmaterialien "Start Deutsch 1 / telc Deutsch A 1" mit der Note "2,0 (gut)" bestanden. Mit diesem Zertifikat, das die Sprachkompetenz der ersten Stufe A 1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens attestiert (vgl. http://www.goethe.de/z/50/ commeuro/303.htm und http://www.telc.net), hat die Antragstellerin ihre Befähigung, sich auf "einfache Art", mithin auf lediglich rudimentäre Weise (vgl. BR-Drs. 224/07 S. 299), in deutscher Sprache verständigen zu können, zweifelsfrei nachgewiesen.
Der Senat darf den erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingetretenen Erwerb hinreichender deutscher Sprachkenntnisse als offensichtliche entscheidungserhebliche Tatsache berücksichtigen; § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO schließt das nicht aus. Zwar ist die Prüfungsbefugnis des Senats nach dieser Vorschrift auf die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe beschränkt. Neue Tatsachen, die erst nach Ablauf der Begründungsfrist eintreten, sind aber jedenfalls dann berücksichtigungsfähig, wenn sie – wie hier – offensichtlich sind (Bader in Bader u. a., VwGO, 4. Aufl., § 146 Rn. 36; ähnlich BayVGH, Beschl. v. 27.08.2002 – 8 CS 02.1514 – NVwZ 2003, 154 <155>; HessVGH, Beschl. v. 07.09.2004 – 10 TG 1498/04 – juris; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. § 146 Rn. 43; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzer, VwGO, § 146 – Stand September 2004 – Rn. 15; noch weitergehend Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 146 Rn. 29; a. A. Redeker/von Oertzen, VwGO. 14. Aufl., § 146 Rn. 22, 25 und wohl auch Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 146 Rn. 114). Denn § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zwingt das Beschwerdegericht nicht zu einer prozessunwirtschaftlichen und dem Gebot effektiven – zeitnahen – Rechtsschutzes widersprechenden Bestätigung einer Eilentscheidung erster Instanz, wenn diese Entscheidung in einem weiteren Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO – gegebenenfalls auch von Amts wegen – wieder zu ändern wäre, was auf eine bloße Förmelei hinausliefe. Die strikte Bindung an die innerhalb der Monatsfrist vorgebrachten Gründe gilt in derartigen Fällen nach Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 VwGO nicht (vgl. – auch zu weiteren Ausnahmen – VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.01.2008 – 3 S 2016/07 – VBlBW 2008, 223; Beschl. v. 08.06.2006 – 11 S 2135/05 – NVwZ-RR 2006, 849; Beschl. v. 27.01.2006 – 6 S 1860/05 – VBlBW 2006, 323).
Schließlich steht auch weder fest, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, der Antragstellerin die Einreise in das oder den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, noch sind konkrete Anhaltspunkte ersichtlich, welche die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde (§ 27 Abs. 1 a Nr. 1 und 2 AufenthG). Auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG sind nach Aktenlage wohl erfüllt, soweit von diesen nicht ohnehin nach § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthGabgewichen werden soll. Insbesondere ist derzeit weder hinreichend ersichtlich noch vorgetragen, dass ein Ausweisungsgrund vorliegt. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin bereits 24 Tage nach Ausstellung des Schengen-Visums die Ehe mit Herrn …. geschlossen hat und sie sich anschließend rückwirkend auf den Tag ihrer Einreise in das Bundesgebiet am 17.10.2007 mit Wohnsitz bei Herrn …. angemeldet hat, könnte aber der – von der Antragsgegnerin bislang freilich nicht geäußerte – Verdacht naheliegen, dass die Antragstellerin bereits bei der Beantragung des Schengen-Visums zur Eheschließung mit Herrn …. und damit auch zu einem längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet entschlossen war, dies jedoch nicht offenbart, sondern über ihren Aufenthaltszweck in Deutschland falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung des Schengen-Visums gemacht hat. In diesem Falle käme ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG in Betracht. Das lässt sich anhand der vorliegenden Ausländerakten jedoch nicht hinreichend sicher feststellen, weil weder der Visumantrag beigezogen noch Herr …. zu den Umständen der Eheschließung und dazu befragt wurde, seit wann er die Antragstellerin kennt. Das wird im Widerspruchsverfahren gegebenenfalls nachzuholen sein.
b) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin dürfte auch die Nichterfüllung der weiteren allgemeinen Erteilungsvoraussetzung einer Einreise mit dem erforderlichen nationalen Visum für einen längerfristigen Aufenthalt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis – zumindest nicht unüberwindbar – im Wege stehen.
Für über drei Monate hinausgehende (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) längerfristige Aufenthalte ist allerdings – soweit nicht Europäisches Gemeinschaftsrecht entgegensteht, was wie dargelegt offen bleiben kann – ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird (§ 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) und gegebenenfalls einer Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§§ 31 ff. AufenthV). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise für einen längerfristigen Aufenthalt setzt daher voraus, dass der Ausländer mit dem entsprechenden nationalen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG), wobei sich die Erforderlichkeit des Visums nach dem Aufenthaltszweck des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, nicht aber nach dem bei der Einreise beabsichtigten Aufenthaltszweck bestimmt (Senatsbeschluss vom 14.03.2006 – 11 S 1797/05 – VBlBW 2006, 357; VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 30.03.2006 – 13 S 389/06 – InfAuslR 2006, 323 m. w. N.). Diese – auch mit dem Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbare (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 04.12.2007 – 2 BvR 2341/06 – juris m.w.N.) – nationale Visumpflicht gilt allerdings nicht, soweit der Ausländer die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. §§ 39 ff. AufenthV nach der Einreise im Bundesgebiet einholen kann (Senatsbeschluss vom 05.03.2008 – 11 S 378/08 – juris). Außerdem kann von ihrer Erfüllung nach Ermessen abgesehen werden, wenn die – sonstigen – Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
Gemessen daran spricht bereits viel dafür, dass die Antragstellerin nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. § 39 AufenthV berechtigt sein könnte, die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einzuholen. Entgegen der Beschwerdebegründung liegt ein Fall des § 39 Nr. 5 AufenthV allerdings schon mangels "Eheschließung im Bundesgebiet" offensichtlich nicht vor. Die Antragstellerin dürfte indes wohl nach § 39 Nr. 3 AufenthV von der Visumpflicht befreit sein (aa)). Ungeachtet dessen kann aber nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG von der Einhaltung der Visumpflicht abgesehen werden (bb)).
aa) Nach § 39 Nr. 3 AufenthV in der seit dem 29.08.2007 geltenden Fassung (siehe Art. 7 Abs. 4 Nr. 13 Buchstabe a) des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007, BGBl. I S. 1970 <2051>) kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle (z. B. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 und § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG) hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 aufgeführten Staates ist (sichtvermerksfreie Drittausländer, sog. Positivstaater) und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind.
Die Vorschrift befreit nicht nur die für einen Kurzaufenthalt sichtvermerksfreien Drittausländer ("Positivstaater", vgl. § 15 AufenthV i. V. m. Art. 20 SDÜ) – zu denen die Antragstellerin nicht gehört -, sondern daneben alle Inhaber eines Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG von der nationalen Visumpflicht für längerfristige Aufenthalte nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Der Satzbau der Vorschrift ist insoweit freilich nicht eindeutig. Denn der Halbsatz "oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt" könnte sich, da er ohne neues Subjekt ("er") beginnt, auch auf die zu Beginn der Nr. 3 genannten sichtvermerksfreien Drittausländer beziehen. Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte der Norm sprechen indes für eine eigenständige Alternative. Die Vorschrift soll sowohl sichtvermerksfreien Drittausländern als auch jedem Inhaber eines Schengen-Visums im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels den Übergang vom Kurzaufenthalt zum Daueraufenthalt ohne vorherige Ausreise ermöglichen. Sie knüpft an entsprechende detaillierte Befreiungstatbestände in § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 DVAuslG an und vereinfacht diese im Sinne einer Deregulierung zu zwei Tatbestandsalternativen (vgl. BR-Drs. 731/04 S. 182 f.). Eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf sichtvermerksfreie Drittausländer liefe dieser Zielsetzung zuwider. Da die Antragstellerin im Zeitpunkt der Antragstellung, auf den insoweit ebenso wie bei § 39 Nr. 5 AufenthV (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 05.03.2008 – 11 S 378/08- juris) abzustellen sein dürfte, im Besitz eines gültigen Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) war, ist § 39 Nr. 3 AufenthV anwendbar.
Im Fall der Antragstellerin dürfte auch die Voraussetzung des § 39 Nr. 3 AufenthV erfüllt sein, dass "die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind". Dieses seit dem 29.08.2007 geltende eingrenzende Tatbestandsmerkmal – zuvor genügte die "Erfüllung" der Anspruchsvoraussetzungen ohne Begrenzung auf einen Zeitpunkt nach der Einreise – stellt nur auf das objektive Entstehen der Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise, nicht aber auch darauf ab, dass der Ausländer vor der Einreise keinen längerfristigen Aufenthalt beabsichtigt haben darf (a. A. Hailbronner, a. a. O. § 5 AufenthG – Stand Juni 2008 – Rn. 55). Mit der Neufassung soll "klargestellt werden, das die Vergünstigung nur dann gilt, wenn der Anspruch nach der Einreise entsteht und damit ein von vornherein beabsichtigter Wechsel des angegebenen Aufenthaltszwecks ausgeschlossen werden kann. Ansonsten kann über ein Schengen-Visum ein Daueraufenthaltsrecht trotz unrichtiger Angaben hinsichtlich des Aufenthaltszwecks erlangt werden" (BT-Drs. 16/5065 S. 476). Dabei hatte der Gesetzgeber Fälle im Blick, in denen ein Schengen-Visum zu touristischen Zwecken ohne Zustimmung der Ausländerbehörde erteilt wird, der Ausländer jedoch entgegen dem von ihm im Visumantrag angegeben Zweck von vornherein einen Daueraufenthalt beabsichtigt; beispielhaft wurde gerade auch auf Eheschließungen mit Deutschen in Dänemark verwiesen. Mit der Änderung sollte deshalb "klargestellt werden, dass die Vergünstigung nur dann gilt, wenn der Anspruch nach der Einreise entsteht und damit ein von vornherein beabsichtigter Wechsel des angegebenen Aufenthaltszwecks ausgeschlossen werden kann." Derartige subjektive (Missbrauchs-)Absichten als Ausschlussgrund haben im Wortlaut des neu gefassten § 39 Nr. 3 AufenthV, der allein auf das objektive Entstehen der Anspruchsvoraussetzungen abstellt, freilich keinerlei Ausdruck gefunden. Der Gesetzgeber unterstellt vielmehr vereinfachend, dass ein missbräuchlicher Zweckwechsel bei Entstehung der Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise auszuschließen sei. Darauf, ob der Ausländer, insbesondere entgegen seinen Angaben im Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums für einen kurzfristigen Aufenthalt, von vornherein einen längerfristigen Aufenthalt, etwa zum Zweck des ehelichen Zusammenlebens, beabsichtigt hat, kommt es nach dem eindeutigen und daher auch keiner teleologisch reduzierenden Auslegung zugänglichen Wortlaut des § 39 Nr. 3 AufenthVmithin nicht an. Falsche oder unvollständige Angaben im Visumverfahren können allenfalls zum Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG führen und damit über § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG den Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ausschließen (siehe oben a) am Ende). Der Begriff "Einreise" dürfte sich insoweit freilich nicht – wie die Beschwerdebegründung annimmt – auf das gemeinsame Gebiet der Schengen-Staaten (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 AufenthV) beziehen (so aber Benassi, InfAuslR 2008, 127 <129>; ausdrücklich offen gelassen im Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen v. 21.12.2007 – 18 B 1535/07 – InfAuslR 2008, 129 <131>). Dagegen sprechen der auf die Befreiung von der n a t i o n a l e n Visumpflicht (§ 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) beschränkte Sinn und Zweck bzw. der entsprechend begrenzte sachliche Anwendungsbereich des § 39 AufenthV und der Eingangswortlaut dieser Vorschrift, wonach der Ausländer den Aufenthaltstitel für einen längerfristigen Aufenthalt "im Bundesgebiet" einholen kann. Da § 39 Nr. 3 AufenthV eine Ausnahme von der nationalen Visumpflicht für einen längerfristigen Aufenthalt regelt, dürfte ein anderes Verständnis des Begriffs "Einreise" wohl auch gemeinschaftsrechtlich nicht geboten sein, zumal Visumpflichten für längerfristige Aufenthalte nicht Gegenstand der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 sind und Art. 18 Satz 1 SDÜ ausdrücklich bestimmt, dass Visa für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten Dauer nationale Visa sind, die von einem der Mitgliedstaaten gemäß seinen Rechtsvorschriften erteilt werden. Das bedarf hier aber keiner weiteren Vertiefung, weil die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ohnehin nach der letzten Einreise der Antragstellerin in das Bundesgebiet entstanden sein dürften.
Maßgebend ist insoweit die Entstehung der Gesamtheit aller Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise in dem Sinne, dass der Anspruch nach der Einreise entsteht, nicht jede einzelne Anspruchsvoraussetzung. Das folgt sowohl aus den Gesetzesmaterialien (BR-Drs. 731/04 S. 182 f.; BT-Drs. 16/5065 S. 476) als auch aus der Anknüpfung an § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 DVAuslG. Käme es darauf an, dass jede Voraussetzung nach der Einreise entstanden sein muss, wären etwa in Fällen der Eheschließung im Bundesgebiet nur Ehen privilegiert, bei denen beide Ehegatten im Zeitpunkt der Einreise des ausländischen Ehegatten das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, weil die einzelne Anspruchsvoraussetzung der Vollendung des 18. Lebensjahres beider Ehegatten (§ 28 Abs. 1 Satz 5, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) nur in einem solchen Falle "nach der Einreise entstehen" könnte. Ein derart enges Verständnis der Norm widerspräche Sinn und Zweck der Privilegierung und wäre auch von der Neufassung der Vorschrift nicht intendiert. Denn mit dem Abstellen auf die Entstehung der Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise sollte lediglich klargestellt werden, dass die Vergünstigung nur gilt, wenn d e r A n s p r u c h nach der Einreise entsteht (BT-Drs. 16/5065, S. 476). Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entsteht indes erst, wenn sämtliche dafür erforderlichen besonderen und allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wobei im Rahmen des § 39 Nr. 3 AufenthV nur die Erfüllung der Visumpflicht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ausgenommen ist. Anders als nach § 39 Nr. 5 AufenthV werden insoweit auch nicht nur einzelne Anspruchsfälle wie die Eheschließung im Bundesgebiet oder die Geburt eines Kindes während des Aufenthalts im Bundesgebiet, sondern alle Fälle privilegiert, in denen der Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entsteht. Auch enthält § 39 Nr. 3 AufenthV im Gegensatz zu den Vorgängerregelungen in § 9 Abs. 2 Nr. 2 und 3 DVAuslG keine Begrenzung mehr dergestalt, dass die Anspruchsvoraussetzungen während des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet bzw. der Geltungsdauer des Schengen-Visums entstanden sein müssen. Diese größere Reichweite entspricht dem Kompromisscharakter der Vorschrift, die einerseits Verfahrenserleichterungen für Ausländer und andererseits dem legitimen Interesse des Staates an der Zuwanderungskontrolle durch das Visumverfahren angemessen Rechnung tragen soll (BR-Drs. 731/04, a. a. O.).
Gemessen daran, dürften die Voraussetzungen des Anspruchs der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis schon deshalb n a c h ihrer letzten Einreise in das Bundesgebiet entstanden sein, weil sie die erforderliche Fähigkeit, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), erst im Mai 2008 im Bundesgebiet erworben hat. Auch dürfte sie wohl erst nach dieser Einreise die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet aufgenommen haben. Die vor jener Einreise in Dänemark erfolgte Eheschließung ist zwar eine notwendige, für sich genommen jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für den Familiennachzug. Denn für den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären – ehelichen – Gründen nach dem sechsten Abschnitt des Aufenthaltsgesetztes kommt es nicht auf das bloße formale Band der Ehe, sondern darauf an, ob tatsächlich eine familiäre – eheliche – Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet besteht (§ 27 Abs. 1 AufenthG).
bb) Aber selbst wenn § 39 Nr. 3 AufenthV nicht anwendbar sein sollte, könnte von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) jedenfalls nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abgesehen werden, soweit die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung – wie oben dargelegt – erfüllt sind. Die Antragsgegnerin bzw. die Widerspruchsbehörde haben das danach eröffnete Ermessen bislang nicht ausgeübt. Dafür, dass dies zugunsten der Antragstellerin geschieht, könnte die Erlasslage sprechen. Denn nach der die Ausländerbehörden des Landes Baden-Württemberg bindenden Verwaltungsvorschrift in Abschnitt A Nr. 5.2.2 der "Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen ab dem 1. Januar 2005" – Stand 10.03.2008 – "soll in Fällen, in denen die materielle Prüfung der Ausländerbehörde bereits zu Gunsten des Ausländers abgeschlossen ist, vermieden werden, dass das Visumverfahren lediglich als leere Förmlichkeit durchgeführt werden muss". Darauf liefe ein Nichtabsehen von der Visumpflicht im Falle der Antragstellerin wohl hinaus. Andererseits lässt § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG aber möglicherweise auch Raum für die Berücksichtigung anderer Gesichtpunkte, wie etwa der Frage, ob ein sogenannter Nachentschluss vorliegt (vgl. VGH Baden-Württ., Beschl. v. 30.03.2006 – 13 S 389/06 – InfAuslR 2006, 323). Ungeachtet dessen ist das Ermessen in jedem Falle unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und berührter Grundrechte, insbesondere des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG, auszuüben. Das wird im Widerspruchsverfahren nachzuholen sein.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 11. Senat