Schadensregulierung bei Verkehrsunfall: Die Höhe des zu ersetzenden Schadens wird grundsätzlich durch ein Sachverständigengutachten bestimmt.
By : Rechtsanwalt Denis König | Category : Verkehrsrecht, Zivilrecht | No Comments
7th Jul 2014
Das Amtsgericht Lüneburg hat in seinem Urteil vom 18.06.2014 – 9 C 455/13 entschieden, dass die Schadensregulierung anhand eines Sachverständigengutachtens zu erfolgen hat.
Der Wagen der Mandantin wurde bei einem Unfall beschädigt, wie er alltäglich passiert. Die Haftung dem Grunde nach war zu keinem Punkt streitig, nur die Höhe. Das Familienfahrzeug ist älter als drei Jahre, wird in einer Opel-Fachwerkstatt gewartet. Bei der Fachwerkstatt handelt es sich um eine Göttinger Filiale eines in Uslar ansässigen Opel-Fachhändlers. Kurz nach dem Unfall wurde das Fahrzeug durch einen Sachverständigen in seiner Göttinger Filiale begutachtet; er selbst hat seinen Hauptsitz in einem etwa 30 km entfernten Ort.
Der Sachverständige bezifferte die Reparaturkosten mit 2.533,44 EUR (bzw. 2.128,94 EUR netto). Das Gutachten wurde dem Versicherer des Unfallgegners für die Regulierung vorgelegt. Der Versicherer lehnte die Regulierung anhand des Gutachtens ab und erstellte einen eigenen Prüfbericht, wonach die Kosten der Reparatur 1.677,70 EUR (netto) betrügen, und zahlte diesen Betrag auch aus. Sie begründete dies mit ihrem Prüfbericht unter Verweis auf eine Werkstatt, die 30 km vom Wohnort der Mandantin entfernt liegt, sowie die Stundenverrechnungssätze gem. Aushang dieser Werkstatt.
Die Mandantin nahm anwaltliche Hilfe in Anspruch, um die Differenz zwischen dem Betrag aus dem Gutachten und dem Prüfbericht geltend zu machen. Dies lehnte die Versicherung ab. Dagegen wurde vor dem Amtsgericht Lüneburg Klage erhoben. Die Klage wurde unter anderem damit begründet, dass für die Neukalkulation durch die gegnerische Haftpflichtversicherung rechtlich kein Platz gegeben war. Der Scheckheft gepflegte Wagen wurde stets in einer Opel-Fachwerkstatt gewartet, die Reparatur in einer freien Werkstatt, die 30 km entfernt liegt, ist für die Klägerin unzumutbar. Der Prüfbericht ist kein Gutachten, es fehlt der Nachweis, dass die freie Werkstatt die Reparatur in gleicher Qualität durchführen kann.
Der Bevollmächtigte der Beklagten bestritt, dass der Wagen Scheckheft gepflegt war, obwohl dies dem Gutachten zu entnehmen war. Die freie Werkstatt sei eine gleichwertige Alternative. Neben weiteren rechtlichen Ausführungen hat der Bevollmächtigte der Beklagten darauf hingewiesen, dass die Fahrt in die freie Werkstatt für die Klägerin zumutbar sei, schließlich sei sie zum Sachverständigen gefahren, der 23 km entfernt von ihr ist. Sie muss sich gemäß ihrer Schadensminderungspflicht auf die Werkstattalternative verweisen lassen.
Darauf wurde unsererseits entgegnet, dass die Begutachtung nur wenige hundert Meter von dem Wohnort der Klägerin erfolgt ist, und nachgewiesen, dass der Wagen Scheckheft gepflegt war. Auch fehlte es an einem objektiven Vortrag zur Gleichwertigkeit der freien Werkstatt. Der Bevollmächtigte der Beklagten erwiderte darauf unter anderem, dass die Opel-Fachwerkstatt in Uslar 41 km vom Wohnort der Klägerin entfernt ist, so dass die Fahrt in die freie Werkstatt nicht unzumutbar ist. Mit dem letzten Schriftsatz wurde klargestellt, dass der Wagen nur wenige Meter von dem Wohnort der Klägerin gewartet wurde.
Das Amtsgericht Lüneburg hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Das Gericht ist unserer Auffassung gefolgt. Die beklagte Haftpflichtversicherung war nicht berechtigt, die ersatzfähigen Reparaturkosten zu kürzen. Die Schadensregulierung nach dem Sachverständigengutachten verstößt nicht gegen die Schadensminderungspflicht unserer Mandantin. Das Gericht stellte klar, dass der Sachverständige Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist. Soweit die Beklagten Einwendungen haben, so haben sie diese mit dem Sachverständigen zu klären. Zu einer Kürzung des Erstattungsbetrages berechtigen solche Einwendungen regelmäßig nicht. Auch kommt es auf den Prüfbericht nicht an, dieser stellt keine sachverständige Begutachtung des Fahrzeugs dar. Auch muss sich die Klägerin nicht an die Stundenverrechnungssätze der Alternative verweisen lassen. Die Beklagten haben zunächst zu beweisen, dass die Reparatur in dieser Firma gleichwertig ausgeführt werden würde. Ein Kostenvoranschlag, dem entsprechendes zu entnehmen wäre, fehlt. Auch kommt es auf die schlussendlich anfallende Arbeitszeit an, wozu der Vortrag der Beklagten gänzlich schweigt. An dieser Auffassung ändert auch nicht, dass das Fahrzeug älter als drei Jahre ist. Insbesondere deshalb, weil das Fahrzeug stets in einer Servicewerkstatt gewartet wurde.
Amtsgericht Lüneburg, Urteil vom 18.06.2014 – 9 C 455/13