BGH urteilt in drei Filesharing-Verfahren zur Haftung von Anschlussinhabern | Rechtsanwalt König in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht Rechtsanwalt in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht

12th Jun 2015

Wie bereits hier hingewiesen, verhandelte der BGH am 11.06.2015 über drei Revisionen in Filesharing-Verfahren.

Klägerinnen waren vier führende deutsche Tonträgerhersteller. Sie beauftragten das Unternehmen „proMedia“ mit der Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen. Dieses stellte fest, dass 19. Juni 2007, am 19. August 2007 und am 17. Dezember 2007 über IP-Adressen eine Vielzahl von Musiktiteln zum Herunterladen angeboten wurde. Zu den IP-Adressen wurden dann die drei Anschlussinhaber ermittelt, die außergerichtlich abgemahnt wurden. In den drei Verfahren werden gegenüber den Beklagten jeweils 3.000,00 EUR Schadensersatz und Ersatz von Abmahnkosten geltend gemacht.

In dem Verfahren I ZR 75/14 bestritt der Beklagte die Richtigkeit der Ermittlungen des Softwareunternehmens. Er hat in Abrede gestellt, dass ihm zum fraglichen Zeitpunkt die ermittelte IP-Adresse zugewiesen gewesen sei und dass er, seine in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen oder ein Dritter die Musikdateien zum Herunterladen verfügbar gemacht hätten. Er hat behauptet, er habe sich mit seiner Familie zur angeblichen Tatzeit im Urlaub befunden. Vor Urlaubsantritt seien Router und Computer vom Stromnetz getrennt worden. Während das Landgericht die Klage abgewiesen hat, wurde der beklagte Anschlussinhaber von dem Oberlandesgericht verurteilt. Die Revision vor dem BGH hatte keinen Erfolg. Der BGH sah nach der Zeugenvernehmung nicht als erwiesen, dass der Beklagte mit seiner Familie am 18. Juni 2007 in den Urlaub gefahren ist und alle technischen Geräte ausgeschaltet habe. Der Beklagte ist für die Verletzungshandlung als Täter verantwortlich, da er im wegen der sekundären Darlegungslast nicht dargelegt hat, dass andere Personen zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter in Betracht kommen. Hier greift daher die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers des Internetanschlusses ein.

Das zweite Verfahren (I ZR 7/14) ist insoweit interessanter, weil es hier um die Belehrungspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern ging. Die Tochter des beklagten Anschlussinhabers hat während der polizeilichen Vernehmung zugegeben, Musikdateien heruntergeladen zu haben. Der Beklagte wendet sich gegen die Verwertung der polizeilichen Vernehmung der Tochter und behauptet, er habe die Tochter über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen belehrt zu haben.

Das Landgericht gab der Klage nach der Vernehmung der Tochter statt, die Berufung ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben, das OLG sah die Verletzungshandlung durch die Tochter als erwiesen und ging von der Verletzung der Aufsichtspflicht des Beklagten aus. Der BGH bestätigte die Auffassung des OLG und wies die Revision zurück. Die Tochter des Beklagten wurde bei der Polizei und im Verfahren vor dem Landgericht ordnungsgemäß belehrt. Der Anschlussinhaber ist für den Schaden, der von der Tochter verursacht worden ist, verantwortlich. Zwar sind die Eltern nicht verpflichtet, die Nutzung des Internets durch ihre Kinder zu überwachen, den Computer der Kinder zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, haben die Eltern aber konkrete Anhaltspunkte, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt, so müssen die Eltern derartige Maßnahmen treffen (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 – Morpheus). Das OLG hat jedoch nicht feststellen können, dass der Beklagte die Tochter entsprechend belehrt hat.

Im dritten Fall (I ZR 19/14) hat der beklagte Anschlussinhaber ebenfalls die korrekte Ermittlung der IP-Adresse bestritten und in Abrede gestellt, dass er oder ein in seinem Haushalt lebendes Familienmitglied die Musikdateien zum Herunterladen angeboten hat. Zum Tatzeitpunkt war der Rechner des Beklagten, der in seinem Arbeitszimmer installiert war, mit dem Internet verbunden. Seine Ehefrau, die bei ihm angestellt ist, hatte nicht die nötigen Administratorrechte, um die entsprechenden Programme zu installieren, der Sohn des Beklagten kannte nicht das Passwort des Computers, das für die Nutzung erforderlich war. Das Landgericht gab der Klage statt, die Berufung blieb im Wesentlichen ohne Erfolg. Gleiches gilt auch für die Revision. Der BGH bestätigte die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die theoretische Möglichkeit, dass bei Ermittlungen der proMedia und des Internetproviders Fehler vorkommen können, reicht nicht aus, um die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse zu erschüttern, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen die Richtigkeit der Ergebnisse sprechen. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe reicht nicht aus.

Der eigentliche Kernpunkt der drei Entscheidungen ist die Berechnung der Schadenshöhe. Der BGH bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen, wonach die Bemessung im Wege der Lizenzanalogie vorgenommen wurde und für jeden verbreiteten Musiktitel 200,00 EUR als Schaden berechnet wurden. Hinzu kam der Ersatz der Abmahnkosten und dessen Höhe auf Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

Vorinstanzen:
Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I
LG Köln – Urteil vom 31. Oktober 2012 – 28 O 306/11 (ZUM-RD 2013, 74)
OLG Köln – Urteil vom 20. Dezember 2013 – 6 U 205/12 (ZUM-RD 2014, 495)
und
Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14 – Tauschbörse II
LG Köln – Urteil vom 2. Mai 2013 – 14 O 277/12
OLG Köln – Urteil vom 6. Dezember 2013 – 6 U 96/13 (juris)
und
Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III
LG Köln – Urteil vom 24. Oktober 2012 – 28 O 391/11
OLG Köln – Urteil vom 14. März 2014 – 6 U 210/12 (juris)

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