BAG: Erfüllung des Anspruchs auf Mindestlohn durch Anrechnung von auf ein Jahr verteilten Sonderzuwendungen | Rechtsanwalt König in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht Rechtsanwalt in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht

26th Mai 2016

Das Thema „Mindestlohn“ beschäftigt weiterhin deutsche Arbeitsgerichte. Bereits vor dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes haben Arbeitgeber durch Änderungskündigungen und Betriebsvereinbarungen versucht, die jährlichen Sonderzuwendungen wie Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld auf das Kalenderjahr zu verteilen, damit der monatliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 EUR je Stunde erreicht wird. Viele Arbeitnehmer wehrten sich dagegen und waren zumindest in der ersten Instanz erfolgreich.  

Das Bundesarbeitsgericht als Revisionsgericht und damit als dritte Instanz hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Verteilung von Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld zu je 1/12 auf ein Jahr im Einklang mit dem Mindestlohngesetz steht.

Zwischen den Parteien war vereinbart, dass die Klägerin jährlich ein Urlaubsgeld zur Lohnzahlung Mai und ein Weihnachtsgeld (Sonderzahlung) zur Lohnzahlung November in Höhe von 50% des vereinbarten Lohns.  Des weiteren wurde geregelt, dass sich diese Sonderzahlungen um ein 1/12 verringern, wenn das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr beginnt oder endet. Eventuell zu viel gezahltes Urlaubsgeld und/oder Sonderzahlung seien zurückzuzahlen.

Die beklagte Arbeitgeberin versuchte mit ihrem Schreiben vom 16.12.2014 die Arbeitnehmer dazu zu bewegen, dass diese dem beigefügten Änderungsvertrag zustimmen, wonach die Vergütung um 2% ab dem 01.01.2015 erhöht wird – verbunden mit der Verteilung der bisher erbrachten Jahressonderzahlungen auf jeweils 1/12 in jedem Monat. Die Klägerin und weitere Arbeitnehmer unterzeichneten den Änderungsvertrag nicht. Daher schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat die sog. „Betriebsvereinbarung Inkrafttreten Mindestlohngesetz“ ab:
„Fälligkeit Sonderzahlungen Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld
Arbeitsvertraglich vereinbarte Sonderzahlungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld) sind in Höhe von 1/12 für jeden Kalendermonat zur betriebsüblichen Fälligkeit der Monatsvergütung zur Zahlung fällig.“

Ab dem 01.01.2015 zahlte die Beklagte an die Klägerin die Grundvergütung in Höhe von 1.391,36 EUR nebst weiteren jeweils 57,97 EUR als „Urlaubsgeld 1/12“ und „Sonderzuwendung 1/12“, insgesamt 1507,30 EUR. Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen den Mindestlohn, denn bei 173,33 Stunden pro Monat hat sie eine monatliche Vergütung von 1.473,33 EUR zu beanspruchen (8,50 EUR multipliziert mit Stundenzahl pro Monat). Die Hinzuziehung von 1/12 des Urlaubsgeldes und der Sonderzuwendung seien unzulässig, die Beklagte kann die Fälligkeit der Zahlungen nicht vorverlegen. Das Weihnachtsgeld belohne die Betriebstreue, während das Urlaubsgeld zusätzlich zum vereinbarten Lohn dem erhöhten Finanzbedürfnis des Arbeitnehmers während des Urlaubs diene. Weil die Fälligkeit des Urlaubsgeldes erst mit dem Mailohn eintritt, habe die Arbeitgeberin für die Monate davor die Differenz zwischen der  abgerechneten Grundvergütung (1.391,36 EUR) und der Grundvergütung unter Beachtung des Mindestlohns (1.473,33 EUR) nachzuzahlen.

Das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel (3 Ca 260/15) wies die Klage ab, auf die Berufung der Klägerin sprach das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (19 Sa 1851/15) zwar Nachtzuschläge von 0,80 EUR zu, wies die Berufung im Übrigen zurück. Die Arbeitnehmerin wandte sich daher mit ihrer Revision an das Bundesarbeitsgericht – ohne Erfolg:

Arbeitgeber schulden den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geschuldete Arbeitsstunde. Der Anspruch des Arbeitnehmers wird durch die als Gegenleistung erbrachten Entgeltzahlungen, die beim Arbeitnehmer verbleiben. Diese Erfüllungswirkung fehlt dann, wenn der Arbeitgeber Zahlungen ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder diese auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen. Die Klägerin hat aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf erhöhte Monatsvergütung. Der gesetzliche Mindestlohn tritt als eigenständiger Anspruch neben die bisherigen Anspruchsgrundlagen, ohne diese zu verändern. Der Arbeitgeber erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn, wen er zur Grundvergütung der Klägerin vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 der Jahressonderzahlungen leistet.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16

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