Amtsgericht Bielefeld: Hohe Anforderungen an den Vortrag der Abmahner zur Täterschaft des abgemahnten Anschlussinhabers | Rechtsanwalt König in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht Rechtsanwalt in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht

13th Aug 2014

Seit einiger Zeit zeichnet sich eine gemeinsame Rechtsprechung vieler Gerichte in Verfahren über urheberrechtliche Abmahnungen ab.  Die Richter stellen an den Vortrag der Abmahner, dass der Inhaber des Internetanschlusses auch derjenige ist, der die abgemahnte Urheberrechtsverletzung begangen haben soll, hohe Anforderungen, wenn der abgemahnte Anschlussinhaber darlegt, dass es möglich ist, dass eine dritte Person die Urheberrechtsverletzung begangen haben kann.

Das Amtsgericht Bielefeld musst über die Klage entscheiden, ob der beklagte Anschlussinhaber an die Klägerin, einen führenden Tonträgerhersteller, Schadensersatz und Aufwendungen wegen einer Urheberrechtsverletzung zahlen muss.
Über den Internetanschluss des Abgemahnten soll ein Doppelalbum über eine Internettauschbörse verteilt worden sein. Der Anschlussinhaber wurde anwaltlich abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zum Schadensersatz aufgefordert. Die Unterlassungserklärung gab der Anschlussinhaber ab, lehnte aber eine Zahlung ab.
Es wurde vor dem AG Bielefeld Klage erhoben, in der die Klägerin ihre Schadensersatz- und Aufwendungsansprüche geltend machte. Der Anschlussinhaber verteidigte sich damit, dass er die Urheberrechtsverletzung nicht begangen habe. In seinem Haushalt lebten zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung seine Ehefrau und seine Kinder, die den Internetanschluss selbständig und regelmäßig genutzt haben.

Das Amtsgericht lehnte die Haftung des Anschlussinhabers ab und wies die Klage als unbegründet ab. Es fehle bereits an einem konkreten Beweis, dass der Beklagte tatsächlich die behauptete Urheberrechtsverletzung begangen hat.
Die Rechtsprechung des BGH („Sommer unseres Lebens“) geht grundsätzlich davon aus, dass der Inhaber des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzung begangen wurde, der Täter ist. Im Wege der sog. sekundären Darlegungslast kann der abgemahnte Anschlussinhaber geltend machen, dass die Rechtsverletzung durch eine andere Person begangen wurde. Das Gericht führt aus:
„Die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung begegnet in Haushalten, in denen mehrere Personen selbständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, bereits grundsätzlichen Bedenken. Die Aufstellung einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber seinen Internetzugang in erster Linie nutzt und über Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert nicht. Die alltägliche Erfahrung in einer Gesellschaft, in der das Internet einen immer größeren Anteil einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist, belegt vielmehr das Gegenteil. Wenn sich der Internetanschluss in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, entspricht es vielmehr üblicher Lebenserfahrung, dass jeder Mitbewohner das Internet selbständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert (AG Düsseldorf, Urteil v. 19.11.2013, 57 C 3144/13).“

Der Anschlussinhaber genüge seiner sekundären Darlegungslast daher, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass seine Hausgenossen selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die seiner Alleintäterschaft ergibt. Er muss nicht ermitteln, wer möglicherweise als Täter in Betracht kommt. Der beklagte Anschlussinhaber ist daher seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen.

 

Amtsgericht Bielefeld, Urteil vom 06.03.2014 – 42 C 368/13

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