VG Göttingen zum Zweitantrag nach § 71 a AsylVfG (Asyl) und Selbsteintritt der Bundesrepublik | Rechtsanwalt König in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht Rechtsanwalt in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht

17th Jul 2015

Liebe Leser, mit diesem Beitrag möchte ich Sie auf die von uns erstrittene Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht Göttingen hinweisen.

Eine Familie aus Tschetschenien reiste Ende April 2013 in Polen ein. Sie soll darauf dort einen Asylantrag gestellt haben. Die Familie reist weiter und stellt in der Bundesrepublik Anfang Mai 2013 unstrittig einen Asylantrag. Anfang Oktober 2013 wird der Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Polen angeordnet. Für die Familie erhoben wir Klage gegen den Bescheid und beantragten die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (§ 80 Abs. 5 VwGO). Der Antrag auf Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes hatte Erfolg. Nach längerem Hin und Her hebt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am 10. Juli 2014 den Bescheid auf und erklärt den Selbsteintritt; die Bundesrepublik ist für die Prüfung des Asylantrags zuständig geworden.

Mit dem Bescheid vom 17. Juni 2015 lehnt das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und droht Abschiebung in die Russische Föderation an. Der beigefügten Verwaltungsakte war insbesondere nicht zu entnehmen, dass sich das Bundesamt bei den polnischen Behörden über den Stand des vermeintlichen Asylverfahrens erkundigt hat. Auftrags- und fristgemäß erhoben wir dagegen Klage und stellten den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.

Mit seinem Beschluss vom 15.07.2015 – 2 B 167/15 gab das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statt. Das Gericht rügt, dass das Bundesamt nicht ermittelt hat, ob der vermeintliche in Polen gestellte Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist. Das Bundesamt hatte daher über den in Deutschland gestellten Asylantrag wie über einen Erstantrag zu entscheiden. Aber auch dann, wenn die in Polen gestellten Asylanträge konkludent oder fiktiv zurückgenommen worden wären, so hätte das Bundesamt aufgrund des erklärten Selbsteintritt über die Asylanträge wie über Erstantrag entscheiden müssen. Durch die Erklärung des Selbsteintritts nimmt die Bundesrepublik die Position Polens ein: Wären die Mandanten rechtzeitig nach Polen überstellt worden, so hätte Polen – sofern die Voraussetzungen vorliegen – über die Asylerstanträge entscheiden müssen. Diese Pflicht ist mit dem Selbsteintritt auf die Bundesrepublik übergegangen, so dass der in Deutschland gestellte Asylantrag nicht nach strengen Regeln des Zweitantrags nach § 71 a AsylVfG geprüft werden durfte.

VG Göttingen, Beschluss vom 15.07.2015 – 2 B 167/15

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