Angekündigte Erkrankung – fristlose Kündigung? | Rechtsanwalt König in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht Rechtsanwalt in Göttingen für Strafrecht Arbeitsrecht Sozialrecht Ausländerrecht

6th Jun 2013

Wird der Urlaub nicht gewährt, so "droht" der eine oder andere Arbeitnehmer damit, dass er sich krankmeldet. Die angekündigte Erkrankung stellt eine Pflichtverletzung dar und kann zu einer Kündigung führen. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte sich mit der Frage beschäftigt, ob so ein Verhalten eine Kündigung rechtfertigt: Ist der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ankündigung objektiv arbeitsunfähig, so stellt dieses Verhalten ohne vorherige Abmahnung keinen Kündigungsgrund dar. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast, dass die Behauptung einer Erkrankung falsch ist.

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2013 – 10 Sa 2427/12

Sachverhalt:

Der Kläger teilte an einem Freitag gegen Mittag zwei Kollegen mit, er sei kaputt, wolle aber nicht zum Arzt gehen. Er muss ab Montag unbedingt mindestens eine Woche frei haben. Der Kläger arbeitete weitere vier Stunden bis Feierabend. Seinen Plan setzte er um und bleib am Montag der Arbeit unentschuldigt fern. Die beklagte Arbeitgeberin kündigte noch am gleichen Tag das Arbeitsverhältnis fristlos. Am Dienstag wurde dem Kläger die Kündigung zugestellt und er suchte auch einen Arzt auf, der ihn für die Zeit ab Montag die Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Nur eine Woche vorher soll der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger baldigen Urlaub in Aussicht gestellt haben, ob es ein konrketes Urlaubsgesuch gab, war streitig.

Der Kläger sieht die außerordentliche Kündigung als unwirksam an, schließlich sei er arbeitsunfähig krank gewesen, auch habe er nicht unentschuldigt gefehlt. Die Beklagte entgegnet, dass das ganze im unmittelbaren Zusammenhang mit dem abgelehnten Urlaubsgesuch in Verbindung steht. Auch hat der Kläger am Freitag bis zum Ende gearbeitet.

Schon das Arbeitsgericht als erste Instanz gab der Kündigungsschutzklage statt, die Äußerung des Klägers war keine Drohung, es komme auf den objektiven Erklärungsinhalt dieser Äußerung an. Der Arbeitgeber hätte den Arbeitnehmer fragen müssen, was der Arbeitnehmer damit überhaupt meint. Das Landgericht folte dem Arbeitsgericht:

"Wie bereits in den Hinweisen des Gerichts vom 6. März 2013 ausgeführt, differenziert das Bundesarbeitsgericht danach, ob ein Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ankündigung einer Erkrankung objektiv erkrankt ist oder nicht (vgl. BAG, Urteil vom 12.3.2009 – 2 AZR 251/07). Zwar kann die Ankündigung einer Erkrankung in beiden Fällen eine Pflichtwidrigkeit darstellen, doch wirkt diese bei objektiver Erkrankung anders. War der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Ankündigung eines künftigen, krankheitsbedingten Fehlens bereits objektiv erkrankt und durfte er davon ausgehen, auch am Tag des begehrten Urlaubs (weiterhin) wegen Krankheit arbeitsunfähig zu sein, kann nicht mehr angenommen werden, sein fehlender Arbeitswille und nicht die bestehende Arbeitsunfähigkeit sei Grund für das spätere Fehlen am Arbeitsplatz. Ebenso wenig kann dem Arbeitnehmer dann zum Vorwurf gemacht werden, er nehme notfalls eine wirtschaftliche Schädigung des Arbeitgebers in Kauf, um die von ihm erstrebte Befreiung von der Arbeitspflicht zu erreichen. Unabhängig davon, ob eine bestehende Erkrankung des Arbeitnehmers dazu führt, dass die „Ankündigung“ der Krankschreibung lediglich als Hinweis auf ein ohnehin berechtigtes Fernbleiben von der Arbeit verstanden werden müsste, wiegt jedenfalls in einem solchen Fall eine mit der Erklärung verbundene Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelmäßig weniger schwer. Es kann dann nicht ohne weiteres von einer erheblichen, eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigenden Pflichtverletzung ausgegangen werden."

Die Rechtmäßigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat die Beklagte nicht bestritten. Daher war es geboten, sich nach dem Gesundheitszustand des Klägers schon am Freitag zu erkundigen, warum der Kläger kaputt war. Dass der Kläger bis zum Feierabend gearbeitet hat, bedeutet nicht, dass er arbeitsfähig war. Mit der Äußerung war für die Beklagte erkennbar, dass der Kläger am Freitag subjektiv nicht arbeitsfähig war. Als Kündigende war die Beklagte in Darlegungs- und Beweispflicht, dass der Kläger doch arbeitsfähig war, bot dafür aber keinen Beweis an, so dass das Gericht dem nicht nachgehen konnte.

"Da mit dem Hinweis des Klägers auf eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit die – streitige – Behauptung der Drohung mit einer Krankschreibung ohne Aufklärung des objektiven Gesundheitszustandes des Klägers nicht mehr als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung angesehen werden kann, konnte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg haben."

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